future!publish-Blog

log.os auf der future!publish: Ein Gastbeitrag von Volker Oppmann
9
Feb

log.os auf der future!publish: Ein Gastbeitrag von Volker Oppmann in Kooperation mit dem bookbytes-Blog

future? publish!

Die Keynote von Chantal Restivo-Alessi (HarperCollins) und die Sessions von Tilman Ramstedt und dem Öko-Institut auf der future!publish 2016 haben grundsätzliche Fragen gestellt. Volker Oppmann fasst sie zusammen:

Zurück in die Zukunft. Wieder einmal. Diesmal mit neuem Versuchsaufbau: Zunächst einmal die einzelnen Teil{chen}nehmer im »Large Human Collider« ausreichend beschleunigen und auf Kurs bringen. Denn bereits Ludwig Börne bemerkte treffend, dass »wenn die auf einem Wege, aber nach entgegengesetzter Richtung wandernden sich begegnen und die Köpfe aneinander stoßen (…) so zeigt es sich nicht minder von einem lebhaften Umtausche der Gedanken (…).«(in: Ankündigung der Wage | 1818)

Sei es, weil man den Musen der Künste mittlerweile misstraute oder um einen besseren Blick über den Tellerrand der Gutenberg-Galaxis hinaus zu haben, wählte man als Ort dieses mentalen Aufeinandertreffens diesmal den Tempel der Muse der Astronomie, der Urania.

Möchte man den über zwei Tage gebotenen Mix aus Start-Ups, Change Management, Studien, Glaskugellesen, Geschäfts- und Erlösmodellen sowie vereinzelten Werbeblöcke mit dem Massenspektrometer analysieren, muss man das Gemisch zunächst gründlich ionisieren. An Disruption, Innovation und Transformation fehlte es jedenfalls nicht.

Sind durch die Ionisierung erst einmal sämtliche Elektronen entfernt, bleiben neben all jenen Dingen, um die sich ein Unternehmen ohnehin kümmern müssen, aus meiner Perspektive zwei Quintessenzen übrig:

1.)    Die Rolle der Verlage.
2.)    Die Forderung nach einer gemeinsamen Plattform (die diesmal nicht aus dem eigenen Lager, sondern von branchenfremden Außenstehenden kam).

Die Rolle der Verlage

Die Vorträge von Chantal Restivo-Alessi (HarperCollins) zum Auftakt sowie der Werkstattbericht von Tilman Rammstedt und Tony Stubenrauch (Hanser) am Ende der zweitägigen Veranstaltung boten einen guten Rahmen.

Beide Beiträge zeigten Verlage, die sich voll und ganz als Dienstleister ihrer Autoren verstehen. Sicherlich könnten sich Autoren heutzutage selbst vermarkten – gerade am Beispiel von Tilman Rammstedt stand diese Frage explizit mehrfach im Raum – doch ist es genau das, was Autoren wie Tilman Rammstedt gerade nicht wollen (auch wenn sie gerne ihren Teil dazu beitragen).

Indem der Autor die wirtschaftliche Auswertung seiner Inhalte einem Verlag überlässt und damit auch einen Großteil seiner Marge abgibt, bezahlt er seinen Verlag dafür, diese Inhalte bestmöglich zu vermarkten, damit er sich selbst voll auf die Produktion seiner Inhalte konzentrieren kann.

Nun wird nicht jeder Autor wie aktuell Tilman Rammstedt gleich acht Verlagsmitarbeiter inklusive Verleger zu Seite gestellt bekommen – und dennoch ist dieser Fall exemplarisch. Hanser spielt den Autor virtuos über alle Kanäle, um am Ende wieder im Feuilleton zu landen. Das Feuilleton ist aber nicht mehr Ausgangspunkt, es ist ein letzter Ritterschlag.

Die eigentliche Arbeit und Diskussion findet ganz woanders statt: in sozialen Netzwerken, über Crowdfunding-Plattformen wie Startnext, über WhatsApp, per Mail, auf der eigenen Website und nicht zuletzt im Verlag.

Während Hanser in der Autorenbetreuung und Vermarktung alle Register zieht, bietet HarperCollins seinen Autoren einen nicht minder attraktiven Zusatzmehrwert – den weltweiten Vertrieb unter der gleichen Dachmarke.

Auf das gleiche Erfolgsprinzip setzt hierzulande auch Lübbe, wenngleich auf Stoffebene: Die eigenen Stoffe selbst ohne Lizenznehmer international zu vermarkten.

Was diese Entwicklung für den internationalen Lizenzmarkt und die Agenturen bedeutet, wird interessant sein zu beobachten. Und – Stichwort Reichweite – auch die zunehmende Abhängigkeit der Verlage jenen Partnern, die diese Reichweite garantieren können. Womit wir auch gleich beim zweiten Punkt wären.

Die Forderung nach einer gemeinsamen Plattform

Wie bereits eingangs erwähnt, kam diese Forderung aus einem ganz anderen Lager und ist tatsächlich auch nur eine »Nebenwirkung« eines größeren Projekts – eine Nebenwirkung, die es jedoch in sich hat.
Hintergrund ist eine durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderte Studie über nachhaltiges Wirtschaften unter dem Titel Transformation 3.0 (kurz: TRAFO 3.0).

Im Rahmen dieser Studie werden durch das Öko-Institut in Freiburg unter Leitung von Carl-Otto Gensch aktuell folgende drei Themenfelder untersucht, von denen eines auch unsere Branche streift:

  • Elektromobilität
  • Nachhaltiger Fleischkonsum
  • Papierloses Lesen

Das eigentliche Interesse in Sachen »papierloses Lesen« galt ursprünglich der Ökobilanz von eInk-Readern (inkl. deren Produktion sowie dem Energieverbrauch für Serverfarmen durch »cloud libraries« über die permanente Synchronisation von Nutzerdaten) im Vergleich zu bedruckten Papier.

Im Rahmen der Voruntersuchungen trat dabei jedoch schnell ein ganz anderes Problem zu Tage – die Erkenntnis, dass der Buchmarkt im Online-Bereich strukturell kaputt ist. Aus der Analyse des Medienwandels hat das Öko-Institut daher Handlungsempfehlungen für die Branche abgeleitet, um diese auf der future!publish erstmals öffentlich vorzustellen.

So diagnostizierten Hannes Kluge, Peter Mathews und Carl-Otto Gensch vor allem ein Kommunikationsproblem, da sich die einzelnen Marktteilnehmer im Netz weder untereinander noch mit ihren Kunden effektiv austauschen könnten. Auf der einen Seite herrsche eine völlige Fragmentierung des Marktes und auf der anderen Seite stünden zentrale Gatekeeper wir Amazon.

Daraus leiten die Kollegen des Öko-Instituts die Forderung nach einer gemeinsamen Datenbank (mit gemeinsamem Datenpool, der allen zur Verfügung steht) sowie einem gemeinsamen Online-Marktplatz ab, damit sich der Markt darüber neu organisieren könne.

Ziel solle sein, sämtliche buchaffinen Communities auf einer Plattform zu vernetzen und vereinen, wobei diese Plattform – ganz wichtiger Punkt – nicht von einem kommerziellen Unternehmen, sondern einer neutralen Instanz betrieben werden solle.

Das möchte ich gerne einfach mal so stehen lassen 😉

Autor: Volker Oppmann

Dieser Artikel erschien erst im bookbytes-Blog auf boersenblatt.net